«Brings uf d’Strass»

Titelbild: Markus Forte
Neulich schlenderten wir durch den Kreis 5 und stolperten ganz zufällig über bunt markierte Strassen, Tischtennisplatten und sogar ein Volleyballnetz, wo sonst nur parkende Autos stehen. «Brings uf d’Strass!» forderten die grossen Schilder am Ein- und Ausgang der verwandelten Strecke. Dahinter steckt ein Projekt des Tiefbauamts, das sich mit einer konkreten Belebungsaktion drei verschiedenen Strassen in Zürichs Innenstadt angenommen hat. In den Kreisen 3, 4 und 5 sorgt «Brings uf d’Strass!» während der Sommerferien vom 16. Juli bis 20. August 2021 für frischen Wind.

Was für eine wunderbare Bestätigung, dass das Thema Aussenraum nicht nur den Immobilienkosmos in den letzten Wochen umgetrieben zu haben scheint! Im Rahmen von «Mehr Raum» greift unser vierteljährlich wechselndes Motto der Website eine Art von Raum auf – zuletzt den Aussenraum. Und unsere Überlegungen zu ihm haben uns an den Punkt geführt, dass dieses abstrakte Konzept am ehesten als Hyperobjekt zu begreifen ist: Man hat eine ungefähre Vorstellung, aber kein klares Bild davon. Wir schlossen mit der Feststellung, dass der Aussenraum im urbanen Umfeld besser gemeinsam gestaltet werden kann. «Brings uf d’Strass!» scheint die Antwort auf dieses Bedürfnis zu sein und ein spannender Ansatz wie man dieses Hyperobjekt weiterdenken kann. 

Spielen, Gärtnern, Zusammensein

So wurden in der Fritschi-, Rotwand- und Konradstrasse verschiedene temporäre Nutzungsmöglichkeiten getestet. Mit entsprechendem Equipment, das vor Ort bereit steht, lassen sich die für den Autoverkehr gesperrten Strassen umnutzen. Die Foki liegen auf Gartenfeeling, Verweilen und Spielen – all das gemeinsam, versteht sich. 

Drei Strassen, drei Konzepte 

An der Fritschistrasse im Kreis 3 entsteht so ein «gemeinschaftlicher Vorgarten». Aus zwei Gartenhäuschen können Sonnenschirme, Grills und Tische entnommen und auf der Strasse aufgestellt werden. Permanent auf der Strasse stehen Liegemöbel. Hochbeete laden zum Gärtnern ein.

Unter dem Motto «nachbarschaftliche Verweiltribüne» wird die Rotwandstrasse im Kreis 4 mit Sitzmöglichkeiten, Bepflanzung, Urban-Gardening-Beeten sowie verschiedenen Spielmöglichkeiten wie Pétanque und Schachspiel der Quartierbevölkerung neue Begegnungs- und Verweilmomente bieten.

Im Kreis 5 wird die Konradstrasse zu einer «langen Spielstrasse», wo Jung und Alt vor Ort nicht nur Spielmöglichkeiten wie Ping-Pong-Tische oder Spielkisten vorfinden, sondern auch einen Ort zum Experimentieren. In der temporären Werkstatt «Studio Konrad» sollen gemeinsam mit interessierten Personen weitere Sitz- und Liegemöbel sowie Spielelemente für die Strasse entwickelt und gezimmert werden.

(Zitat von der Stadt Zürich Seite)

Die Ausstattung der einzelnen Standorte wurden über Monate in Kooperation mit den Anwohner:innen besprochen und ausgewählt. So seien Online-Umfragen und persönliche Gespräche eingesetzt worden. Und auch für Feedback-Möglichkeiten ist gesorgt: In den Installationen stehen Kästen bereit, auf der man eine kurze Bewertung per Knopfdruck abgeben kann.

Gute Idee, aber leider nicht für alle

Doch die Idee, die bei uns auf so viel positive Resonanz stiess, hat in der Praxis unter der Anwohnerschaft für durchmischte Reaktionen gesorgt. Gerade im urbanen Raum der Innenstädte überlagern sich die Nutzungsformen auf kleinstem Raum. Was für die einen der Bereich vor der Haustüre ist, ist für andere der Arbeitsweg, der Platz vor der Lieblingsbar, Transportroute oder Velostrecke. Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Bedürfnisse an den Aussenraum aus. Ein Bericht auf tsüri.ch zeigt die ersten Reaktionen der Anwohner:innen auf – und gerade kleinere Gewerbetreibende bemerkten die fehlende Laufkundschaft durch den Wegfall der Parkplätze vor der Türe. Und tatsächlich war es am Tag unserer Entdeckung von «Brings uf d’Strass!» auffallend ruhig in der Konradstrasse. Ausser einer kleinen Gruppe, die sich gerade zum Volleyball-Spiel bereit machte, war kaum jemand in der Anlage unterwegs. 

Die endgültige Evaluation des Projekts wird noch bis Ende Oktober dauern, doch durch die Aktion wurde die Frage nach dem Nutzungszweck des Aussenraums von der oft theoretischen Ebene auf die Strasse geholt. Für eine langfristige Umnutzung und Belebung der innenstädtischen Quartiersstrassen braucht es sicher anderes Equipment vor Ort, doch schon der Versuch hat einen spannenden Horizont eröffnet – wer kann von sich schon behaupten mitten auf der Strasse im Kreis 5 schon Volleyball gespielt zu haben? 

Wir hoffen, dass dieses Projekt zukünftig nochmals aufgegriffen wird und auch ausserhalb der Sommerferien, wenn die Stadt sowieso verlassener und ruhiger ist, den Aussenraum zum Thema für alle macht. Über die Zeit häufen sich so Erfahrungen und Anpassungen an und das abstrakte Hyperobjekt Aussenraum kann doch zum gemeinsam genutzten (Sommer)-Strassenraum werden.

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