Nachdem wir uns für den letzten Blog-Beitrag intensiv mit Seebach auseinandergesetzt haben, zog es uns raus in die Stadt, um den Vergleich hautnah zu erleben. Eine kleine Velotour führte uns durch die beiden Quartiere Aussersihl und Seebach, die sich in vielen Aspekten ähneln, aber an sehr unterschiedlichen Punkten in ihrer Entwicklung stehen.
Obwohl der Blog sich vornehmlich mit den Kreisen 3, 4 und 5 befasst, wagen wir in diesem Beitrag den Blick über den Tellerrand in den Norden der Stadt. Vielleicht kommt beim ein oder anderen ernsthaft die Frage auf: warum eigentlich nicht Seebach?
Die beiden Routen, die wir gegenüberstellen, führen uns einerseits vom Üetliberg, einem beliebten Naherholungsgebiet der Kreise 3 und 4 bis hin zur belebten Langstrasse. Andererseits verläuft die Route an der südlichsten Grenze Seebachs von Riedenholz bis zum Bahnhof Oerlikon-Ost. Beide Strecken sind 3 Kilometer lang.
Der von Landwirtschaftsfeldern umgebene Waldabschnitt im Riedenholz ist zwar nicht so gross wie beim Üetliberg, dafür ist es in Seebach ein wenig flacher. Platz zum Entspannen und Abschalten findet man dennoch. Die Grünzone erstreckt sich bis in die Nachbarsgemeinden Rümlang und Regensdorf. So kann man mit dem Fahrrad also unbeschwert zu den Naturschutzgebieten rund um den Katzensee oder gar weiter zum Neeracherried radeln. Auf der Strecke kreuzt man den einen oder anderen Bauernhof.
Nach einigen Metern sieht es immer noch sehr grün und wenig städtisch aus. In der Nähe des Üetlibergs befinden sich die Schrebergärten des Gartenvereins Wiedikon (links im Bild). In Seebach hingegen fährt man am Chatzenbach entlang, bis man auf die ersten Wohnsiedlungen in der Nähe unseres nächsten Projekts an der Leimgrübelstrasse trifft.
Nach gut einem Kilometer macht sich die bereits fortgeschrittene Verdichtung im Kreis 3 bemerkbar. Nach der eher ruhigen Wohnzone im Friesenberg, häufen sich belebte Erdgeschosse und Verkehrsknotenpunkte wie der am Goldbrunnenplatz. Ein ähnliches Bild bietet sich in Seebach erst wieder ab dem Seebacherplatz, wo das 14er-Tram (das lustigerweise die beiden Kreise miteinander verbindet), sowie auch mehrere Buslinien ihren Weg durch die Stadt ziehen, beginnend im südlich angrenzenden Oerlikon. In Seebach ist man nach dem ersten Kilometer Distanz noch immer im ruhigen Wohngebiet. Grosse Blockrandbauten wie in den Innenstadtkreisen sucht man vergebens; die Mehrfamilienhäuser sind klein und haben Vorort-Charakter, an vielen Stellen gibt es sogar Einfamilienhäuser mit kleinen Gärten.
Die Route im Kreis 3 und 4 führt ab diesem Zeitpunkt immer tiefer in das dichte Gewirr der Blockrandbauten rund um das Langstrassenquartier. In Seebach hingegen geht die Route vom luftigen und grünen Wohnquartier zur Glatttalstrasse über, einer wichtigen Verkehrsachse des Quartiers. Die Glatttalstrasse verbindet das ländlichere Seebach mit dem bereits dichteren Teil des Quartiers an der Schaffhauserstrasse. Ziel der Stadt ist es, mit dem Stadtentwicklungskonzept «Zürich 2040» Korridore zu schaffen, welche die Quartiere erschliessen. Hauptstrassen gewinnen dadurch an Bedeutung, da sie kleine Zentren verbinden und möglichst dicht bebaut werden sollten. Deshalb ist an der Glatttal-, sowie auch an der Schaffhauserstrasse die grösste Verdichtung zu erwarten.
Am Ende der Glatttalstrasse kreuzen wir die Schaffhauserstasse und biegen rechts Richtung Oerlikon ab. Auf der Schaffhauserstrasse fährt das 14er-Tram durch, die Erdgeschosse sind belebt und die Häuser höher und dichter aneinandergebaut. Allmählich bekommt Seebach den Groove des Kreis 4, wie wir es zu Beginn des Beitrags erwartet haben. Friseure, Shisha-Bars, Imbisse und viele Einkaufsmöglichkeiten für Anwohner sind hier keine Seltenheit.
Unter den verschiedenen Restaurantoptionen gibt es zum Beispiel das Indian Palace: Bereits seit vielen Jahren ziert die orange Schrift das einfache, indische Restaurant an der Schaffhauserstrasse. Sein Inneres jedoch versetzt uns bei unserem Besuch (mit der opulenten Einrichtung) fast schon in einen Bollywood-Film. Die Preise sind moderat und das Essen authentisch. Der perfekte Ort für ein ungezwungenes Abendessen.
Die Friesstrasse 24 ist das Zuhause der Patisserie Goranac: ein Muss für jeden Liebhaber der Balkanküche. Der Name deutet zwar nur auf süsse Esswaren hin, jedoch kann man nebst den Gebäcken auch typische Spezialitäten wie Cevapcici und Börek geniessen.
Die Schaffhauserstrasse hält mit dem Café Ami auch Schweizer Hausmannskost bereit. Das Café hat den Charakter eines Quartiertreffs, wo man einerseits gemütlich seinen Kaffee schlürfen kann, andererseits mit wechselnden Tagesmenüs und Schweizer Klassikern bedient wird.
Die Velofahrt endet an zwei verschiedenen, weitentfernten Orten, die jedoch ähnlicher nicht sein könnten. Einerseits am lebendigsten Fleck Zürichs, der Langstrasse und andererseits an der Friesstrasse beim Bahnhof Oerlikon-Ost, auch als «Balkanstrasse» bekannt.
Gewiss, manchmal braucht es auch ein wenig Vorstellungskraft, um im blossen Potential eines Quartiers eine mögliche Realität zu sehen. Doch wie einst der griechische Philosoph Heriklat sagte: «Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.», was sich auch auf die Stadtentwicklung anwenden lässt. Die Velofahrt hat uns einige Gemeinsamkeiten der beiden Regionen der Stadt aufgezeigt, aber auch ihre unterschiedlichen Voraussetzungen hervorgehoben. Egal wie sich das Konzept für Seebach umsetzen lässt, sicher ist, dass in Zürich-Nord noch einiges gehen wird